Friedberg, Burg, Burggrafenhaus
Bezeichnung, Eigentümer, Kreis
Burggrafiat. Finanzamt (Land Hessen). Wetteraukreis.
Bauherr, Grunddaten, Zustand
Johann von Cronberg, 1604 und 1610/11. Nach Erneuerungen im 18. und späten 19. Jh. zuletzt durch einen Brand im Jahre 1990 im Innern geschädigt und anschließend saniert.
Geschichte
Die im 12. Jh. genannte Reichsburg wurde von einem Burggrafen verwaltet, dem später mehrere Burgmannen zur Seite standen. Ab 1492 hatte der Burggraf die Führung in der Wetterauer Ritterschaft (Grafenverein) inne. Im 16. Jh. hatten die Burggrafen kaum mehr eine Bedeutung für das Reich, der Schlossbau repräsentierte im Grunde genommen nur den Bauherren selbst, als den Burggrafen. Bis 1817 diente das Schloss als Residenz der Burggrafen.
Baugeschichtliche Bedeutung
Auf einem breiten Bergsporn liegt, dreiseitig durch natürliche Abhänge geschützt, im Süden durch einen Halsgraben von der mittelalterlichen Stadt Friedberg getrennt, das Burgareal, vermutlich auf dem Gelände eines römischen Kastells. Insbesondere auf der Ost- und der Südwestseite umgibt eine weiträumige Bastion die Burg, hervorzuheben ist der gegen 1500 entstandene Batterieturm im Südwesten, eines der frühen Beispiele eines solchen Turmes in Hessen. Er stand etwas vor der Burg und war durch einen gedeckten Gang mit der Burg verbunden. Der annähernd 20 Meter hohe und im Durchmesser 19 Meter dicke Turm ist im unteren Teil eingeschüttet und wirkt dadurch besonders gedrungen. Das Innere hat zwei hohe gewölbte Räume, der untere erschließt allerdings Schießkammern in zwei Etagen. Die Mauerstärke beträgt rund 5,7 Meter.
Innerhalb des geräumigen Burgareals befinden sich einzelne Herrenhäuser, darunter als wichtigster Bau das Burggrafenhaus an der östlichen Flanke. Es handelt sich um einen zweigeschossigen längsgestreckten Traufenbau. Zum Hof hin sind ihm zwei schmale, dreigeschossige, rechtwinklige Giebelbauten vorgestellt, der linke unmittelbar an der linken Gebäudekante, der rechte mit etwas Abstand von der rechten Kante, ferner ein mittlerer dreigeschossiger Treppenturmvorbau, etwas kleiner und schmaler, als die seitlichen Flügel. Zwischen diesen Bauten ist das Traufendach des Hauptflügels mit je einem verschieferten Zwerchhaus mit geschwungener Giebellinie versehen. Die drei Vorbauten haben zum Hof hin und der Hauptbau zu den Seiten geschweifte Volutengiebel mit ausgreifenden ‚Hörnern‘. Die seitlichen Vorbauten haben in allen Geschossen je zwei gekuppelte Zwillingsfenster, die vom Erdgeschoss zum 2. Obergeschoss in der Höhe abnehmen. Die Fenster sind rechteckig und meist profiliert. Der nördliche Giebel des Bauwerks nimmt Rücksicht auf einen steilen Giebel eines mittelalterlichen Gebäudes, das später zugunsten des barocken Herrenhauses des Deutschen Ordens abgebrochen wurde. Nach Süden hat das Haus einen schmaleren gleichzeitigen Vorbau direkt an der Ringmauer, der Zwickel zum Hof hin wurde im Barock durch einen Anbau geschlossen. Rückseitig gibt es drei (historistisch erneuerte) Zwerchgiebel.
Der Hauptbau selbst ist beidseits des Treppenturmes unsymmetrisch gegliedert, er hat rechts einen rechteckigen Eingang mit gesondertem Oberlicht und links ein segmentbogiges Portal. Dessen Gewände ist seitlich mit flach vertieften Nischen versehen, die mit Muschel- und Blumengirlanden gefüllt sind. Über einem abschließenden Gesims befindet sich ein von Hermen und einer ornamentierten Lisene geteiltes Doppelwappen: Johann von Cronberg und Anna von Riedesel zu Eisenbach, bezeichnet 1610. Das überaus reich gestaltete Portal folgt in seinen Einzelformen Motiven W. Dietterlins (Hermenkapitelle, Putten, Muscheln), die Gesamtkomposition geht aber nicht auf ein solches Vorbild zurück. Das rundbogige Tor am Treppenturm (Kellerportal) ist von Diamantquadern gerahmt und mit einem Doppelwappen (s. o.) und der Jahreszahl 1604 versehen. Im Erdgeschoss des linken Vorbaues befindet sich eine geometrische Stuckdecke, die noch zur ursprünglichen Ausstattung gehören dürfte. Sonst ist das Burggrafenhaus innen fast völlig erneuert.
Westlich ist dem Burggrafenhaus das ‚Kavaliershaus‘ vorgelagert, an das sich südlich ein Hoftor anschließt. Das Kavaliershaus ist zweigeschossig, auf der Giebelseite sind die Geschosse durch Gesimse getrennt, die Giebelgliederung entspricht dem Burggrafenhaus, allerdings sind die seitlichen Abschlüsse etwas abweichend gestaltet: Die rechteckigen Fenster sind im Erdgeschoss mit Falz und Karnies profiliert. Der nördlich angefügte Risalit ist historistisch. Nach Süden schloss an das Gebäude ursprünglich eine wesentlich dickere Mauer an, in deren Verlauf sich das Hofportal befand.
Dieses Hofportal stand früher etwas weiter nördlich, direkt an das ‚Kavaliershaus‘ angelehnt (Adamy, KDM Friedberg, 1895), heute steht es frei, nur durch eine Mauer mit dem Kavaliershaus verbunden. Es besteht aus einem gedrückten Rundbogen als mittlerer Durchfahrt und zwei seitlichen kleineren Rundbogenöffnungen als Durchgang. Die trennenden Pfeiler sind mit rosettenverzierten Konsolen, darüber Nischen mit Muscheln, Löwenmasken und Beschlagwerk, einem Zwischengesims und abschließenden ionischen Kapitellen versehen. Über den Durchgängen gesprengte Dreiecksgiebel. Seitlich neben den Pforten befinden sich rechteckige beschlagwerkverzierte Wangen, über ihnen halbe Volutengiebel mit C-Voluten. Das Portal ist am mittleren Bogen mit der Jahreszahl 1611 bezeichnet, am Fries steht „PAX INGRESSURIS PAX EGREDIENTIE(us) ESTO PAX FOVEAT TUTAM DULCIS ALUMNA DOMU“, Renoviert „1893“. Giebelspitze über der Durchfahrt bezeichnet „Ren. 1752”, darunter Doppelwappen von Pilastern und C-Voluten gerahmt, Wappen Cronberg/Riedesel zu Eisenbach.
Würdigung
Das Burggrafenhaus vertritt durch seine drei dem Hof zugewandten Risalite einen ungewöhnlichen Bautyp, zumal durch die Schweifwerkgiebel die symmetrische Fassadenansicht eine starke Betonung der Seiten erhält. Dieser Fassadengestaltung ist der Treppenturm durch seine Rechtwinkligkeit untergeordnet. Daher kann man hier wirklich von einer sehr überlegten Fassadengestaltung ausgehen, was bei kleineren Schlössern der Renaissance in Hessen keineswegs selbstverständlich ist. In einzelnen Details lässt sich die Kenntnis der Ornamentik Wendel Dietterlins nachweisen.
Literatur, Quellen
Adamy, KDM Friedberg, 1895, S. 108-112 (Burggrafenhaus) u. S. 121-123 (Dicker Turm)
Roth, Friedberg, 1974
Großmann, Cronberger Hof, 1979
Rack, Friedberg, 1988
Knappe, Burgen, 1995, S. 324 f.
Rack, Reichsstadt, 1998
Wionski, DTH Wetteraukreis II, 1999, S. 617-619