Marburg (Lahn), Schloss: Unterschied zwischen den Versionen

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==Bezeichnung, Eigentümer, Kreis==
==Bezeichnung, Eigentümer, Kreis==
Universität Marburg, Universitätsmuseum (Land Hessen). Kreis Marburg-Biedenkopf.  
Universität Marburg, Universitätsmuseum (Land Hessen). Kreis Marburg-Biedenkopf.
==Bauherr, Grunddaten, Zustand==  
 
Landgraf Ludwig IV. von Hessen-Marburg. Umbau zur Residenz ab 1567, Anbau der Rentkammer 1572, Ebert Baldwein. Saalportale 1573, Nikolaus Hagenmüller. Saalkamin Ebert Baldwein. Umbauten vor allem im 19. und 20. Jh.  
==Bauherr, Grunddaten, Zustand==
Landgraf Ludwig IV. von Hessen-Marburg. Umbau zur Residenz ab 1567, Anbau der Rentkammer 1572, Ebert Baldwein. Saalportale 1573, Nikolaus Hagenmüller. Saalkamin Ebert Baldwein. Umbauten vor allem im 19. und 20. Jh.
 
==Geschichte==
==Geschichte==
Mit dem Tode Philipps des Großmütigen 1567 wurde Hessen unter seinen vier Söhnen aus der Hauptehe aufgeteilt, Marburg wurde Sitz einer Nebenresidenz. Mit dem Tod Ludwigs fiel Marburg 1604 an Kassel. Nach 1869 wurde das Schloss Staatsarchiv, mit dessen Auszug 1938 Universitätsinstitut. Eine Anregung des Verf. 1974 führte zur Unterbringung des Universitätsmuseums im Schloss.
Mit dem Tode Philipps des Großmütigen 1567 wurde Hessen unter seinen vier Söhnen aus der Hauptehe aufgeteilt, Marburg wurde Sitz einer Nebenresidenz. Mit dem Tod Ludwigs fiel Marburg 1604 an Kassel. Nach 1869 wurde das Schloss Staatsarchiv, mit dessen Auszug 1938 Universitätsinstitut. Eine Anregung des Verf. 1974 führte zur Unterbringung des Universitätsmuseums im Schloss.
 
==Baugeschichtliche Bedeutung==
==Baugeschichtliche Bedeutung==
Die Kernburg des hohen und späten Mittealters mit den bestimmenden Elementen des Saalbaues (um 1295) im Nordwesten und der Kapelle neben dem Tor im Südosten blieb bis heute bewahrt. Im Kernschloss fanden ab 1567 umfangreiche Umbauarbeiten statt, durch die man die Geschosshöhen veränderte, jedoch den Gesamteindruck der mittelalterlichen Burg kaum antastete. Im Hof errichtete man einen Treppenturm zur besseren Erschließung der Wohn- und Arbeitsflügel im Süden und Westen. Für die Außenansicht entscheidend wurde dagegen der Rentkammeranbau an der Südseite der Schlosskapelle, 1572 von Ebert Baldwein. Der östlich gesondert stehende Wilhelmsbau galt auch mehr als ein Jh. nach seiner Errichtung noch als der Neuen Bau (so im Schlossinventar von 1607, Justi, 1942, S. 130-135), seine großen mit Säulen gegliederten Säle wurden jedoch in einzelne Wohnräume aufgeteilt. 1607 hatte hier Landgraf Moritz seine Wohnräume.
Die Kernburg des hohen und späten Mittealters mit den bestimmenden Elementen des Saalbaues (um 1295) im Nordwesten und der Kapelle neben dem Tor im Südosten blieb bis heute bewahrt. Im Kernschloss fanden ab 1567 umfangreiche Umbauarbeiten statt, durch die man die Geschosshöhen veränderte, jedoch den Gesamteindruck der mittelalterlichen Burg kaum antastete. Im Hof errichtete man einen Treppenturm zur besseren Erschließung der Wohn- und Arbeitsflügel im Süden und Westen. Für die Außenansicht entscheidend wurde dagegen der Rentkammeranbau an der Südseite der Schlosskapelle, 1572 von Ebert Baldwein. Der östlich gesondert stehende Wilhelmsbau galt auch mehr als ein Jh. nach seiner Errichtung noch als der Neuen Bau (so im Schlossinventar von 1607, Justi, 1942, S. 130-135), seine großen mit Säulen gegliederten Säle wurden jedoch in einzelne Wohnräume aufgeteilt. 1607 hatte hier Landgraf Moritz seine Wohnräume.
Die Rentkammer ist ein zweigeschossiger Quaderbau in Traufenstellung. Das Untergeschoss besteht aus offenen Arkaden, zur Ansichtsseite zwei, seitlich eine. Die Arkaden werden von Pilastern (mit deutlicher Entasis) gerahmt, die das vortretende Gebälk tragen; über dem mittleren Pilaster befindet sich am Gebälk das Wappen Ludwigs IV., eine Inschrift im Gebälk verweist auf ihn. Das Obergeschoss hat an der Frontseite zwei Doppelfenster zwischen zwei Einzelfenstern in symmetrischer Anordnung, an den Seiten jeweils ein schmales Fenster. Alle Quader sind mit Zangenlöchern versehen. Die seitlichen Giebel sind im unteren Giebelgeschoss als Viertelkreis mit senkrechtem Aufsatz, im oberen als C-Schwung gestaltet. Der Frontgiebel besteht aus verschiefertem Fachwerk und passt sich der Giebelform an, wahrscheinlich wurde er wegen Beschädigung zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs oder aber aus statischen Gründen um 1625 erneuert. Das Untergeschoss ist ein zweijochiger kreuzgewölbter offener Raum.  


Im Schlossinnern liegt hinter dem Obergeschoss der Rentkammer das Untergeschoss der Schlosskapelle. Dieser Raum, der lange Zeit für eine „Unterkapelle” gehalten wurde (so Großmann, Marburg-Führer, ab 1972) hat an der Westseite einen Schornstein bzw. einen Kamin in ganzer Breite und Höhe des Raumes. Von diesem Schornsteinblock wurde wohl im 16. Jh. der Treppenaufgang zum Obergeschoss abgeteilt. Danach ist der Schornstein bzw. Kamin in verkleinerter Form weiterverwendet worden. Der Raum hatte somit lange Zeit eine Wohnnutzung.  
Die Rentkammer ist ein zweigeschossiger Quaderbau in Traufenstellung. Das Untergeschoss besteht aus offenen Arkaden, zur Ansichtsseite zwei, seitlich eine. Die Arkaden werden von Pilastern (mit deutlicher Entasis) gerahmt, die das vortretende Gebälk tragen; über dem mittleren Pilaster befindet sich am Gebälk das Wappen Ludwigs IV., eine Inschrift im Gebälk verweist auf ihn. Das Obergeschoss hat an der Frontseite zwei Doppelfenster zwischen zwei Einzelfenstern in symmetrischer Anordnung, an den Seiten jeweils ein schmales Fenster. Alle Quader sind mit Zangenlöchern versehen. Die seitlichen Giebel sind im unteren Giebelgeschoss als Viertelkreis mit senkrechtem Aufsatz, im oberen als C-Schwung gestaltet. Der Frontgiebel besteht aus verschiefertem Fachwerk und passt sich der Giebelform an, wahrscheinlich wurde er wegen Beschädigung zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs oder aber aus statischen Gründen um 1625 erneuert. Das Untergeschoss ist ein zweijochiger kreuzgewölbter offener Raum.


Im Südflügel wurde im oberen Geschoss im Raum mit der Doppelarkade von 1481 an der vermauerten Wand zum Treppenturm eine Inschrift, die sich auf eine Bärenjagd 1584 bezieht, festgestellt. Einzelne Umbauspuren weisen auf die Anpassung dieses mittelalterlichen Flügels 1481 und nach 1567 hin, insbesondere im Zusammenhang mit der Errichtung des Treppenturms 1567. Von herausragender Bedeutung sind zwei hölzerne Innenportale, die Hofschreiner Nikolaus Hagenmüller 1573 für den großen Saal des Schlosses fertigte; auch der Saalkamin wurde um 1570/80 durch Ebert Baldwein (Steinmetzzeichen entsprechend der Rentkammer) erneuert.  
Im Schlossinnern liegt hinter dem Obergeschoss der Rentkammer das Untergeschoss der Schlosskapelle. Dieser Raum, der lange Zeit für eine „Unterkapelle” gehalten wurde (so Großmann, Marburg-Führer, ab 1972) hat an der Westseite einen Schornstein bzw. einen Kamin in ganzer Breite und Höhe des Raumes. Von diesem Schornsteinblock wurde wohl im 16. Jh. der Treppenaufgang zum Obergeschoss abgeteilt. Danach ist der Schornstein bzw. Kamin in verkleinerter Form weiterverwendet worden. Der Raum hatte somit lange Zeit eine Wohnnutzung.
 
Im Südflügel wurde im oberen Geschoss im Raum mit der Doppelarkade von 1481 an der vermauerten Wand zum Treppenturm eine Inschrift, die sich auf eine Bärenjagd 1584 bezieht, festgestellt. Einzelne Umbauspuren weisen auf die Anpassung dieses mittelalterlichen Flügels 1481 und nach 1567 hin, insbesondere im Zusammenhang mit der Errichtung des Treppenturms 1567. Von herausragender Bedeutung sind zwei hölzerne Innenportale, die Hofschreiner Nikolaus Hagenmüller 1573 für den großen Saal des Schlosses fertigte; auch der Saalkamin wurde um 1570/80 durch Ebert Baldwein (Steinmetzzeichen entsprechend der Rentkammer) erneuert.
 
In der Vorburg wurde vor allem der Marstall erneuert und um zwei Geschosse aufgestockt. 1575 leitete Ebert Baldwein die Arbeiten. Der Zwerchgiebel zum Hof gehört aber erst einer vielleicht kriegsbedingten Renovierung um 1625 an.
 
Ein wichtige Quelle stellt das 1607 für Landgraf Moritz erstellte Inventar des Schlosses dar (Justi, 1942, S. 130-135). Es verdeutlicht, dass der in Kassel residierende Landgraf, seine Gemahlin und sein (damals dreijähriger) Sohn im Wilhelmsbau über jeweils ein Appartement aus einem Gemach (offenbar eine große Stube, mit Eisenplattenofen), einer kleinen Schreibstube (mit Eisenofen) und einer Schlafkammer (mit Kamin) verfügt haben. Das Fehlen eines Aborterkers in der Schlafkammer der Landgräfin führt zur Nutzung eines „Gemachstuels“, zu dem ein kupferner Kessel gehörte. Diener und höherrangiges Hofpersonal verfügt jeweils über ein Appartement aus einer Stube und einer Kammer, die gelegentlich aber nicht hinter-, sondern übereinander lagen.
 
Ob die umfangreiche Erneuerung des Schlosses in den Jahren zwischen 1980 und 2000 soweit baugeschichtlich begleitet worden ist, dass ein Grundriss des Schlosses im Zustand des 16. Jh. angefertigt werden kann, ist derzeit mangels jeglicher Veröffentlichung von Bau befunden jedoch völlig unbekannt.


In der Vorburg wurde vor allem der Marstall erneuert und um zwei Geschosse aufgestockt. 1575 leitete Ebert Baldwein die Arbeiten. Der Zwerchgiebel zum Hof gehört aber erst einer vielleicht kriegsbedingten Renovierung um 1625 an.
Ein wichtige Quelle stellt das 1607 für Landgraf Moritz erstellte Inventar des Schlosses dar (Justi, 1942, S. 130-135). Es verdeutlicht, dass der in Kassel residierende Landgraf, seine Gemahlin und sein (damals dreijähriger) Sohn im Wilhelmsbau über jeweils ein Appartement aus einem Gemach (offenbar eine große Stube, mit Eisenplattenofen), einer kleinen Schreibstube (mit Eisenofen) und einer Schlafkammer (mit Kamin) verfügt haben. Das Fehlen eines Aborterkers in der Schlafkammer der Landgräfin führt zur Nutzung eines „Gemachstuels“, zu dem ein kupferner Kessel gehörte. Diener und höherrangiges Hofpersonal verfügt jeweils über ein Appartement aus einer Stube und einer Kammer, die gelegentlich aber nicht hinter-, sondern übereinander lagen.
Ob die umfangreiche Erneuerung des Schlosses in den Jahren zwischen 1980 und 2000 soweit baugeschichtlich begleitet worden ist, dass ein Grundriss des Schlosses im Zustand des 16. Jh. angefertigt werden kann, ist derzeit mangels jeglicher Veröffentlichung von Bau befunden jedoch völlig unbekannt.
==Würdigung==
==Würdigung==
Marburg ist ein Beispiel für die vollständige Anpassung einer mittelalterlichen Burg an die Bedürfnisse eines Renaissanceschlosses, das allerdings baulich nicht als repräsentative regelmäßige Anlage in Erscheinung tritt, sondern vor allem hinsichtlich des Wohnstandards erneuert worden ist. Zur Repräsentation dienen allein der Rentkammerbau vor der Schlosskapelle und die unterhalb des Schlosses stehende Kanzlei.  
Marburg ist ein Beispiel für die vollständige Anpassung einer mittelalterlichen Burg an die Bedürfnisse eines Renaissanceschlosses, das allerdings baulich nicht als repräsentative regelmäßige Anlage in Erscheinung tritt, sondern vor allem hinsichtlich des Wohnstandards erneuert worden ist. Zur Repräsentation dienen allein der Rentkammerbau vor der Schlosskapelle und die unterhalb des Schlosses stehende Kanzlei.
==Literatur, Quellen==
 
==Literatur, Quellen==
StAM (s. Justi, Schloss, 1942)
StAM (s. Justi, Schloss, 1942)
Zur mittelalterlichen Baugeschichte s. zuletzt Großmann 1999


Kippenberger, Soldan, 1926  
Zur mittelalterlichen Baugeschichte s. zuletzt Großmann 1999
 
Kippenberger, Soldan, 1926


Küch/Niemeyer, BKDM Marburg-Stadt, 1934, Tf. 123-216  
Küch/Niemeyer, BKDM Marburg-Stadt, 1934, Tf. 123-216


Justi, Schloss, 1942  
Justi, Schloss, 1942


Voigt, Baldwein, 1942, S. 54-65  
Voigt, Baldwein, 1942, S. 54-65


Rumpf, Galeriegang, 1966/67  
Rumpf, Galeriegang, 1966/67


Sleegers, Renaissance-Portal, 1993  
Sleegers, Renaissance-Portal, 1993


Großmann, Wahrzeichen, 1979, S. 99 ff. („Kanzlei“)  
Großmann, Wahrzeichen, 1979, S. 99 ff. („Kanzlei“)


Großmann, Schloss Marburg, 1999
Großmann, Schloss Marburg, 1999

Version vom 28. Juni 2013, 15:33 Uhr

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Bezeichnung, Eigentümer, Kreis

Universität Marburg, Universitätsmuseum (Land Hessen). Kreis Marburg-Biedenkopf.

Bauherr, Grunddaten, Zustand

Landgraf Ludwig IV. von Hessen-Marburg. Umbau zur Residenz ab 1567, Anbau der Rentkammer 1572, Ebert Baldwein. Saalportale 1573, Nikolaus Hagenmüller. Saalkamin Ebert Baldwein. Umbauten vor allem im 19. und 20. Jh.

Geschichte

Mit dem Tode Philipps des Großmütigen 1567 wurde Hessen unter seinen vier Söhnen aus der Hauptehe aufgeteilt, Marburg wurde Sitz einer Nebenresidenz. Mit dem Tod Ludwigs fiel Marburg 1604 an Kassel. Nach 1869 wurde das Schloss Staatsarchiv, mit dessen Auszug 1938 Universitätsinstitut. Eine Anregung des Verf. 1974 führte zur Unterbringung des Universitätsmuseums im Schloss.

Baugeschichtliche Bedeutung

Die Kernburg des hohen und späten Mittealters mit den bestimmenden Elementen des Saalbaues (um 1295) im Nordwesten und der Kapelle neben dem Tor im Südosten blieb bis heute bewahrt. Im Kernschloss fanden ab 1567 umfangreiche Umbauarbeiten statt, durch die man die Geschosshöhen veränderte, jedoch den Gesamteindruck der mittelalterlichen Burg kaum antastete. Im Hof errichtete man einen Treppenturm zur besseren Erschließung der Wohn- und Arbeitsflügel im Süden und Westen. Für die Außenansicht entscheidend wurde dagegen der Rentkammeranbau an der Südseite der Schlosskapelle, 1572 von Ebert Baldwein. Der östlich gesondert stehende Wilhelmsbau galt auch mehr als ein Jh. nach seiner Errichtung noch als der Neuen Bau (so im Schlossinventar von 1607, Justi, 1942, S. 130-135), seine großen mit Säulen gegliederten Säle wurden jedoch in einzelne Wohnräume aufgeteilt. 1607 hatte hier Landgraf Moritz seine Wohnräume.

Die Rentkammer ist ein zweigeschossiger Quaderbau in Traufenstellung. Das Untergeschoss besteht aus offenen Arkaden, zur Ansichtsseite zwei, seitlich eine. Die Arkaden werden von Pilastern (mit deutlicher Entasis) gerahmt, die das vortretende Gebälk tragen; über dem mittleren Pilaster befindet sich am Gebälk das Wappen Ludwigs IV., eine Inschrift im Gebälk verweist auf ihn. Das Obergeschoss hat an der Frontseite zwei Doppelfenster zwischen zwei Einzelfenstern in symmetrischer Anordnung, an den Seiten jeweils ein schmales Fenster. Alle Quader sind mit Zangenlöchern versehen. Die seitlichen Giebel sind im unteren Giebelgeschoss als Viertelkreis mit senkrechtem Aufsatz, im oberen als C-Schwung gestaltet. Der Frontgiebel besteht aus verschiefertem Fachwerk und passt sich der Giebelform an, wahrscheinlich wurde er wegen Beschädigung zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs oder aber aus statischen Gründen um 1625 erneuert. Das Untergeschoss ist ein zweijochiger kreuzgewölbter offener Raum.

Im Schlossinnern liegt hinter dem Obergeschoss der Rentkammer das Untergeschoss der Schlosskapelle. Dieser Raum, der lange Zeit für eine „Unterkapelle” gehalten wurde (so Großmann, Marburg-Führer, ab 1972) hat an der Westseite einen Schornstein bzw. einen Kamin in ganzer Breite und Höhe des Raumes. Von diesem Schornsteinblock wurde wohl im 16. Jh. der Treppenaufgang zum Obergeschoss abgeteilt. Danach ist der Schornstein bzw. Kamin in verkleinerter Form weiterverwendet worden. Der Raum hatte somit lange Zeit eine Wohnnutzung.

Im Südflügel wurde im oberen Geschoss im Raum mit der Doppelarkade von 1481 an der vermauerten Wand zum Treppenturm eine Inschrift, die sich auf eine Bärenjagd 1584 bezieht, festgestellt. Einzelne Umbauspuren weisen auf die Anpassung dieses mittelalterlichen Flügels 1481 und nach 1567 hin, insbesondere im Zusammenhang mit der Errichtung des Treppenturms 1567. Von herausragender Bedeutung sind zwei hölzerne Innenportale, die Hofschreiner Nikolaus Hagenmüller 1573 für den großen Saal des Schlosses fertigte; auch der Saalkamin wurde um 1570/80 durch Ebert Baldwein (Steinmetzzeichen entsprechend der Rentkammer) erneuert.

In der Vorburg wurde vor allem der Marstall erneuert und um zwei Geschosse aufgestockt. 1575 leitete Ebert Baldwein die Arbeiten. Der Zwerchgiebel zum Hof gehört aber erst einer vielleicht kriegsbedingten Renovierung um 1625 an.

Ein wichtige Quelle stellt das 1607 für Landgraf Moritz erstellte Inventar des Schlosses dar (Justi, 1942, S. 130-135). Es verdeutlicht, dass der in Kassel residierende Landgraf, seine Gemahlin und sein (damals dreijähriger) Sohn im Wilhelmsbau über jeweils ein Appartement aus einem Gemach (offenbar eine große Stube, mit Eisenplattenofen), einer kleinen Schreibstube (mit Eisenofen) und einer Schlafkammer (mit Kamin) verfügt haben. Das Fehlen eines Aborterkers in der Schlafkammer der Landgräfin führt zur Nutzung eines „Gemachstuels“, zu dem ein kupferner Kessel gehörte. Diener und höherrangiges Hofpersonal verfügt jeweils über ein Appartement aus einer Stube und einer Kammer, die gelegentlich aber nicht hinter-, sondern übereinander lagen.

Ob die umfangreiche Erneuerung des Schlosses in den Jahren zwischen 1980 und 2000 soweit baugeschichtlich begleitet worden ist, dass ein Grundriss des Schlosses im Zustand des 16. Jh. angefertigt werden kann, ist derzeit mangels jeglicher Veröffentlichung von Bau befunden jedoch völlig unbekannt.

Würdigung

Marburg ist ein Beispiel für die vollständige Anpassung einer mittelalterlichen Burg an die Bedürfnisse eines Renaissanceschlosses, das allerdings baulich nicht als repräsentative regelmäßige Anlage in Erscheinung tritt, sondern vor allem hinsichtlich des Wohnstandards erneuert worden ist. Zur Repräsentation dienen allein der Rentkammerbau vor der Schlosskapelle und die unterhalb des Schlosses stehende Kanzlei.

Literatur, Quellen

StAM (s. Justi, Schloss, 1942)

Zur mittelalterlichen Baugeschichte s. zuletzt Großmann 1999

Kippenberger, Soldan, 1926

Küch/Niemeyer, BKDM Marburg-Stadt, 1934, Tf. 123-216

Justi, Schloss, 1942

Voigt, Baldwein, 1942, S. 54-65

Rumpf, Galeriegang, 1966/67

Sleegers, Renaissance-Portal, 1993

Großmann, Wahrzeichen, 1979, S. 99 ff. („Kanzlei“)

Großmann, Schloss Marburg, 1999