Marburg (Lahn), Kanzlei: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 5. September 2013, 09:48 Uhr

Infobox
094 SL 02 MAK 1175 18.jpg
Entstehungszeit: 1573-76
Baumaßnahme: 1873 bergseitiger Risalit
Bauherr: Landgraf Ludwig IV. von Hessen-Marburg,
Baumeister Ebert Baldwein
Eigentümer: Land Hessen, Universität Marburg
Ort: Marburg
Kreis: Marburg-Biedenkopf
Markierung
Hessenmap.png


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Bezeichnung, Eigentümer, Kreis

Universität Marburg (Land Hessen). Landkreis Marburg-Biedenkopf.

Bauherr, Grunddaten, Zustand

Landgraf Ludwig IV. von Hessen-Marburg, 1573-76 von Baumeister Ebert Baldwein. Bergseitiger Risalit 1873. Heute Nutzung durch die Universität.

Geschichte

Mit dem Tode Philipps des Großmütigen 1567 wurde Hessen unter seinen vier Söhnen aus der Hauptehe aufgeteilt, Marburg wurde Sitz einer Nebenresidenz. Mit dem Tod Ludwigs fiel Marburg 1604 an Kassel.

Baugeschichtliche Bedeutung

Viergeschossiger Verwaltungsbau zwischen Schloss und Altstadt. Bruchsteinmauerwerk mit Eckquaderung. Traufenseite mit rechteckigem Treppenturmvorbau, hangseitige Traufenseite mit rechteckigem Vorbau (= jüngerer Anbau mit anderer Steinbearbeitung, 1873).

Umlaufender Sockel. Fenster in den drei unteren Geschossen gekuppelt, im 2. Obergeschoss an der westlichen Giebelseite und im 3. Obergeschoss Drillingsfenster, alle mit Falz und Karnies. Giebel dreigeschossig mit Halbkreisabschluss. Unteres Giebelgeschoss mit drei Fenstern, das mittlere ist etwas kleiner (auf der Westseite vermauert). Auf der Ostseite trennen Lisenen die Giebelwand in fünf Teile. Giebelbegrenzung durch Viertelkreisbogen und aufgesetztes Lisenenstück, über dem Gesims zum mittleren Giebelgeschoss rechteckiger Aufbau mit Kugel. Das mittlere Giebelgeschoss hat auf der Ostseite gleichfalls vier Lisenen, die genau über denen des unteren Geschosses stehen. Auf der Westseite gibt es zwei Lisenen als äußere Begrenzung, die sich nach unten über das Gesims hinaus durch kleine Konsolen fortsetzen. C-Voluten seitlich. Im oberen Giebelgeschoss auf beiden Seiten je zwei Lisenen, die sich auf der Westseite wieder nach unten in Konsolen fortsetzen. S-Voluten. Halbkreisabschlüsse jeweils mit kleiner Statue, nackter gedrungener Mann oder Putto, von Küch/Niemeyer (BKDM Marburg-Stadt, 1934) dem Bildhauer Melchior Atzel zugeschrieben (am Westgiebel verloren). Abschluss des Treppenturmes durch entsprechenden Giebel, im unteren Geschoss dort Doppelfenster, das Geschoss darüber mit Tondo, von zwei Lisenen gerahmt. Die Fenster des Treppenturmes sind der Steigung folgend schräg. Treppenturm innen rund, einfache linksläufige Spindel.

Portal rundbogig in rechteckigem Rahmen mit seitlichen Pilastern, Architrav und Dreiecksgiebel. Im Sturz des Rundbogens Architrav-Konsole. Kämpfer für den Rundbogen sind nur im Zwischenraum zwischen dem selbst kämpferlosen Bogen und den Pilastern angedeutet. In den Zwickeln Rundmedaillons mit augenähnlichen Füllungen. Pilaster mit vertieften Spiegelfeldern, Sockel mit Diamantquader. Auf der Konsole sitzt das Wappen Ludwigs IV. auf, das den Dreiecksgiebel ausfüllt. Architrav mit Inschrift: „VON GOTTES GNADEN LUDWIGK LANDT GRAFF ZU HESSEN GRAFF ZV CATZENELNPOG ZIGENHAIM UND NIDDA ANNO DOMINI 1575”. Laut Küch/Niemeyer (BKDM Marburg-Stadt, 1934, Tf. 219) befand sich an der Stelle des rückwärtigen Anbaus ein kleiner risalitartiger Vorsprung mit Aborten. Das Gebäude war im Innern vom Treppenturm ausgehend in jedem Geschoss in drei Teile unterteilt und hatte ein Längsgerüst in der Mitte, so dass sich unter Umständen bis zu sechs Räume ergeben haben können. Diese Bauaufteilung ist auch für kleine Schlösser auf dem Lande typisch. Das Erdgeschoss hatte je einen vierjochigen kreuzgewölbten seitlichen Raum sowie, durch firstmittige Trennung, zwei zweijochige Räume hintereinander in der Mittelzone. In den Obergeschossen wurde die Mittelzone wohl erst im 18. und 19. Jh. aufgeteilt. Ursprünglich gab es dort eine große Halle, jeweils mit einem Kamin sowie Heizstellen für je zwei Räume zu beiden Seiten. Dies spräche für eine reine Büronutzung des Hauses. Möglicherweise sind einzelne Stubenöfen aber erst nachträglich (18. Jh.?) eingebaut worden und es kann ursprünglich einzelne (Schlaf-)Kammern gegeben haben. Die Grundrisse des 19. Jh. und der gegenwärtige Bauzustand erlauben hierzu keine gesicherte Aussage.

Würdigung

Die Intensivierung der Verwaltung in der 2. Hälfte des 16. Jh. führt auch zu eigenen Verwaltungsbauten, die in diesem Fall nicht mehr Bestandteil des Schlosses selbst, sondern baulich getrennte Anlagen werden können. Die Marburger Kanzlei entspricht vom Bautyp her jedoch einem kleineren Schloss und ist als Bestandteil des Ausbaues des Marburger Schlosses zu werten.

Literatur, Quellen

Voigt, Baldwein, 1942

Küch/Niemeyer, BKDM Marburg-Stadt, 1934, Tf. 219-224

Großmann, Wahrzeichen, 1979, S. 99-101