Kassel, ehem. Schloss
Bezeichnung, Eigentümer, Kreis
Zerstört, den Bauplatz nimmt heute das Regierungspräsidium ein. Stadt Kassel.
Bauherr, Grunddaten, Zustand
Philipp der Großmütige und Wilhelm IV., Landgrafen von Hessen. Nach Erneuerung in der 2. Hälfte des 15. Jh. und um 1520/25, vor allem rondellierte Befestigung, weitgehender Neubau 1557-62. Goldener Saal 1582-84. 1602/03 Umbau der gotischen Kapelle. 1811 zerstört.
Geschichte
Nach Gründung der Landgrafschaft Hessen 1248 war zunächst Marburg, ab 1308 Kassel der wichtigste Sitz des Landgrafen. Baumaßnahmen sind für die 2. Hälfte des 15. Jh. überliefert. Damals muss bereits eine mehrflügelige Burg bestanden haben. Philipp der Großmütige ließ vorrangig die Befestigung mit Rondellen und Bastionen anlegen. Wenige Jahre nach dem schmalkaldischen Krieg (1544-47) begann der Neubau des Schlosses, der seitens des Bauherren weitgehend durch Landgraf Wilhelm betreut wurde. In eigener Regie stattete er den Güldenen Saal um 1582/84 aus.
Baugeschichtliche Bedeutung
Das Renaissanceschloss in Kassel wurde 1811 durch einen Großbrand während der französischen Besatzungszeit vernichtet. Die Stelle des Schlosses nimmt heute das Regierungsgebäude des Regierungsbezirk Hessen-Kassel ein. Die Kenntnis vom historischen Schlossbau vermittelt sich uns durch Inventare, Zeichnungen und Stiche. (Abbildungen und Hinweise: Holtmeyer, BKDM Cassel-Stadt, 1923; Heppe 1991 u. 1995.)
Das Schloss lag im Südosten der Stadt Kassel, von der Stadt auf der Nord- und Westseite umgeben. Benachbart befanden sich das Karmeliterkloster (die Brüderkirche) im Nordosten, der Steinweg im Nordwesten, die Rennbahn im Südwesten und die Fulda bzw. Kleine Fulda im Südosten. Das Schloss war eine nicht ganz regelmäßige Vierflügelanlage um einen annähernd rechteckigen Innenhof. Die Flügel weisen nach Nordosten, Nordwesten, Südosten und Südwesten. Sie sind grundsätzlich dreigeschossig, haben teilweise aber ein durch einen Zwischenboden aufgeteiltes Untergeschoss und ein ausgebautes Dachgeschoss. Südwest- und Südostseite (Rennbahnseite und Fuldaseite) sind durch Aufrisszeichnungen gut dokumentiert (Holtmeyer, BKDM, Tf. 172). Die Südwestseite ist hiernach zehn Achsen breit, als 11. Achse ist der turmartige südliche Eckbau hinzuzurechnen. Von den zehn Fensterachsen sind die jeweils zwei seitlichen mit einem vierten Vollgeschoss (3. Obergeschoss) und einem Zwerchgiebel versehen, der zwei Geschosse und eine Giebelspitze hat. Zwerchgiebel sind durch Gesimse und Lisenen oder Pilaster in kleine Felder untergliedert, die je in einzelnes Fenster aufnehmen. Dreiecksabschluss als Giebelspitze, seitlich in den Giebelgeschosses S-Bögen. Die Fensterachsen haben gekuppelte Zwillingsfenster, nur in der 3. Achse von links ein gekuppeltes Drillingsfenster in beiden Obergeschosses. Im Erdgeschoss rundbogige portalartige Öffnungen, abwechselnd mit Dreiecks- oder Segmentbogengiebel, in der 5. Achse von links Durchfahrtstor, durch großen Portalrahmen kenntlich gemacht. Der turmartige Anbau im Süden hat einen Altan.
In der Südostfassade ist die linke Achse durch den genannten südlichen Turmbau samt Altan verdeckt, nach rechts folgen drei Achsen mit gekuppelten Zwillingsfenstern. Hinter dem Altan und über der nächsten Achse Zwerchgiebel mit einem Vollgeschoss und Giebel mit Voluten, Pilastern, Gesimsen und Halbkreisabschluss. Der Giebel dürfte denjenigen der Südwestfassade weitgehend entsprechen. Der Grundriss (Holtmeyer, BKDM, Tf. 167) bestätigt, dass dieser Giebel noch zum Südwestflügel gehört, während die beiden übrigen Achsen einen Verbindungsbau bilden, dessen Dachform der Aufriss nicht zeigt. Rechts davon springt der Südostflügel etwas vor und öffnet sich in neun Fensterachsen sowie einem turmartigen Altanbau an der Ostecke, der jenem an der Südecke etwa entspricht. Der Südostflügel hat im Erdgeschoss gekuppelte Zwillingsfenster, in den Obergeschoss Einzelfenster. Über der 1./2. und der 7./8. Achse kleiner zweigeschossiger Zwerchgiebel mit Dreiecksabschluss, im unteren Geschoss vier, im oberen zwei Fenster. Über der 4. und 5. Achse größerer Zwerchgiebel aus einem Vollgeschoss und zwei Giebelgeschossen mit Halbkreisabschluss. Die Wandfläche zwischen den beiden Achsen ist breiter, als der Achsenabstand sonst, es bleibt Platz für einen dreiseitig vorkragenden Erker, der über dem unteren Giebelgeschoss endet. Rechts von der 9. Achse Giebel und etwas nach rechts verschoben der Eckbau (s.o.). Dieselbe Front zeigt auch eine Zeichnung von Landgraf Moritz, hier sind gekuppelte Fenster statt der einfachen dargestellt. Die anschließende Nordostseite ist auf einem Entwurf für den östlichen Eckturm zu sehen, der alternativ zu einem Altan einen hohen Eckturm mit Durchfahrt vorsieht (Holtmeyer, BKDM, Tf. 169). Die drei linken Achsen, vom Eckbau abgesehen, bildet die nordöstliche Giebelfront des Südostflügels, über den drei Hauptgeschosses folgt ein weiteres Vollgeschoss, darüber drei Giebelgeschosse und Halbkreisabschluss. Die Giebelgeschosse werden von Gesimsen getrennt. Zwischen den Fensterachsen befinden sich vom Erdgeschoss bis zum ausgebauten Dachgeschoss zwei strebepfeilerartige Anbauten. Auf dem jüngeren Grundriss springt der anschließende Nordostflügel mit zwei Achsen vor die Giebelseite des Südostflügels vor, dann springen drei Achsen hinter die Flucht des Giebels des Südostflügels zurück, hier schließt sich in einer Flucht die zweiachsige Giebelfront des Nordwestflügels an. Demgegenüber zeigt der ältere Plan (1763; Holtmeyer, BKDM, Tf. 167; ebenso die Ansicht Tf. 169) den Nordostflügel einheitlich zurückspringend, in einer Flucht mit dem zuletzt genannten Giebel. Der Nordostflügel ist zwischen den beiden ihn östlich und westlich einfassenden Giebeln fünfachsig, zwischen der 2. und 3. Achse von Osten befindet sich eine mit kleinen Fensteröffnungen versehenen strebepfeilerartiger Anbau (offenbar ein Abortrisalit), über der 3. Achse ein kleiner Zwerchgiebel aus einem Vollgeschoss, einem Giebelgeschoss und einer dreieckigen Giebelspitze. Ohne Unterbrechung schließt die Giebelseite des Nordwest-Giebels an, mit einem kleinen rechteckigen Vorbau links, vor dem Sockel und dem Erdgeschoss, sowie einem strebepfeilerartigen durchfensterten Vorbau zwischen den beiden Fensterachsen, bis zum 2. Giebelgeschoss reichend. Die Fenster sind im Erdgeschoss gekuppelte Zwillingsfenster, im 1. Obergeschoss links desgl., im 2. Obergeschoss links ein Drillingsfenster, in den Obergeschoss rechts Vierfenstergruppen. Im voll ausgebauten unteren Giebelgeschoss je ein Drillingsfenster, in den zwei nächsten Giebelgeschossen Zwillingsfenster. Giebel durch Viertelkreisbögen mit senkrechten Aufsätzen bzw. C-Bögen begrenzt, Halbkreisabschluss.
Die Nordwestseite ist durch ein barockes Gemälde dokumentiert (Landesmuseum Kassel, Abb. s. Holtmeyer, BKDM, Tf. 173). Dem Grundriss zufolge macht die Nordwestseite einen kleinen Knick, die Fassade ist 13-achsig (im Grundriss ist die Öffnung in der 2. Achse von W nicht eingetragen). Die Fenster sind gekuppelte Zwillings- oder Drillingsfenster, wie an der Südwestseite sind die Fenster mit gemeinsamen offenbar vortragenden Rahmen mit Segmentbogen- und Dreiecksgiebeln versehen. In der 2. und 7. Achse von Westen befinden sich rechteckige Eingänge. Fünf Zwerchgiebel über der 1.-3., der 4.-5., der 7.-8., der 10.-11. und der 12.-13. Achse von Osten. Alle Zwerchgiebel haben ein Vollgeschoss und zwei oder drei Giebelgeschosse mit Voluten. Nur der westliche Zwerchgiebel hat eine starke Aufgliederung durch Pilaster und Gesimse in einzelne Fensterfelder, wie dies auch für die beiden Giebel das Südwestflügels zutrifft, diese Giebel gehören offensichtlich zusammen. Während das Gemälde eine glatte Fassade darstellt, sind im Grundriss zwischen der 7. und 8. bzw. 10. und 11. Achse schmale risalit- oder pfeilerartige Vorsprünge eingetragen. Ein Stich von E. van Lennep („Ehren-Säule, Wilhelm dem Sechsten auffgerichtet“, 1663, s. Holtmeyer, BKDM, Tf. 181) zeigt links von der 10. Achse einen breiten fensterlosen Vorbau mit Zwerchgiebel. Auf diesem Stich ist in der äußeren westlichen Achse im Erdgeschoss ein rundbogiges Tor zu erkennen, in der Art einer Durchfahrt.
Der Stich von Lennep und die Bauaufnahme von C. Range und C.L. Göbell 1748 (Holtmeyer, BKDM, Tf. 181) zeigen den Torbau, der das Schlossareal mit dem Steinweg verbindet. Es handelt sich um ein Doppeltor. Die rundbogige Durchfahrt in rechteckigem Rahmen aus rustizierten Quadern wird von zwei eingeschossigen Torhäusern flankiert. Dahinter erhebt sich auf dem Schlosswall das Obergeschoss des hinteren Torhauses, das höhenmäßig über dem Dach der vorderen Torhäuser erscheint. Das Geschoss ist in fünf rundbogige Arkaden aufgelöst, über den drei mittleren Arkaden beschlagwerkverzierter Zwerchgiebel. Das Giebelfeld über dem Tor und unter der mittleren Arkade ist bez. „MLZH“ (Moritz Landgraf zu Hessen).
Hof und Inneres Ansichten von den Hoffassaden sind nicht in so großer Zahl überliefert, wie solche der Außenseiten. In Teilen ist der Hofplatz selbst zu erkennen, etwa bei Dilich 1598 (Ritterspiel, vgl. Holtmeyer, BKDM; Voigt, Baldwein, 1942) und auf einer Handzeichnung von Landgraf Moritz (s. Holtmeyer, BKDM, Tf. 168). Gesamtansichten des Schlosses zeigen gelegentlich die hofseitigen Zwerchgiebel (Lennep, s Holtmeyer, BKDM, Tf. 181). In den vier Ecken des Hofes befinden sich polygonale Treppentürme, die die Hofflügel um zumeist ein Geschoss überragen. Nach Dilich hat der Treppenturm in der Westecke Fenster mit schrägem Gewände (d.h. linksläufige Treppe), der Treppenturm in der Nordecke hat rechteckige Fenster. Der Treppenturm der Westecke hat ein rundbogiges Portal in rechteckigem Rahmen, mit Dreiecksgiebel abgeschlossen. Die Hoffassade des Nordwestflügels hat im Dachgeschoss in der Mitte einen zweiachsigen Zwerchgiebel aus einem Vollgeschoss, einem Giebelgeschoss und der Giebelspitze. Links und rechts je ein einachsiger kleiner Zwerchgiebel. Fensteraufteilung unregelmäßig, Zwillings- und Drillingsfenster. Vor der linken Hälfte des Erdgeschoss befindet sich ein rundbogiges Portal mit aufwendiger Rahmung aus je zwei Säulen seitlich, Architrav und breitem Dreiecksgiebel. Rechts kleines rundbogiges Portal in rechteckigem Rahmen, rustizierte Quadern. Unter der rechten Achse des mittleren Zwerchgiebels eine weitere rundbogige Öffnung, durch einen provisorische Tribüne verdeckt (die Zeichnung entstand im Zusammenhang mit einem Ritterspiel). Die Fenster sitzen auf Gesimsen, ebenso die Fenster des Südwestflügels. Der Nordostflügel hat in allen drei Geschossen rundbogige Arkaden, dem Grundriss nach dürften es nur fünf Arkaden sein, die Zeichnung zeigt aber mehr (wohl unzuverlässig). Die Handzeichnungen des Landgrafen Moritz stimmt in den Details mit der Zeichnung Dilichs nicht überein, vor allem die Portale im Erdgeschoss das Nordwestflügels sitzen an anderen Stellen. Die Zeichnung des Landgrafen dürfte in diesem Punkt ungenau sein, allerdings ist das von Dilich (Tf. 170 oben) dargestellte Durchfahrtsportal an dieser Stelle auch ein Irrtum. Abweichungen gibt es auch beim Zwerchgiebel, Moritz zeichnet einen zweiachsige Giebel über einer Fensterachse mit einem vierteiligen Fenster, Dilich glaubwürdiger über zwei Fensterachsen mit dreiteiligen Fenstern. Der Südostflügel ist nicht dargestellt, Der Grundriss zeigt im Erdgeschoss 10 Fensterachsen einschl. des südlichen Zwischenbaues, vor der jeweils 2. Achse von außen befindet sich ein Portal. Das Innere Eine Grundrissfolge aus dem Jahre 1722 (T. N. Mollwitz, Abb. Heppe 1995, S. 26-29) überliefert die barock veränderte Raumstruktur. Teilweise lässt sich daraus die ursprüngliche Struktur erschließen. Vor allem im 1. und 2. Obergeschoss liegen die Appartements. Sie sind so angeordnet, dass man die vermutlichen Schlafkammern nicht durchschreiten muss, um in den nächsten Raum zu kommen, sondern lediglich die Vorräume und teilweise die Stuben. Insgesamt dürfte das Schloss zwischen 30 und 40 Appartements in den beiden Obergeschossen und dem Dachgeschoss besessen haben, wobei die Grundrissrekonstruktion aufgrund der Pläne von 1722 kein exaktes Bild der Renaissancezeit vermitteln kann.
Küchenbau (Südwestflügel, Torflügel). Im Erdgeschoss südlich vom Haupttor befand sich die Herren- und Ritterküche, nördlich der Gesindesaal, in der Mittel der Junker- oder Rittersaal, ferner Vorratsräume. Hauptraum im 1. Obergeschoss war der Küchensaal, als Speisesaal benutzt. Seine Wände schmückten 19 gewirkte Tapeten mit Darstellungen aus dem Leben König Davids. Weitere Gemächer, darunter das fürstliche Speisezimmer, ferner Engelsgemach (im 18. Jh. Kapelle) befanden sich in diesem Geschoss. Im 2. Obergeschoss, vom Erbprinzen bewohnt, lag das Alabastergemach, von Elias Godefroy de Cambray und Adam Liquir Beaumont (Holtmeyer, BKDM), später war auch Wilhelm Vernukken mit Bildhauerarbeiten beschäftigt. In der südlichen Ecke des Küchenflügels befand sich im 1. Obergeschoss ein Appartement, ein weiteres in der südwestlichen Ecke zwischen Speisesaal und Güldenem Saal des Backhausbaues. Backhausbau (Nordwestflügel). Im Erdgeschoss lagen die Backstube sowie weitere Wirtschafts- und Vorratsräume. Im 1. Obergeschoss war der Güldene Saal der wichtigste Raum des Schlosses (über ihn eine ausführliche Literatur, zuletzt Heppe 1995). Die plastische Ausstattung des gewölbten Saales schuf etwa 20 Jahre nach seiner baulichen Vollendung Wilhelm Vernukken, doch hat sich der Landgraf auch um einen weiteren Künstler bemüht (lt. Holtmeyer, BKDM: Nikolaus Bergner). Frauenzimmerbau (Nordostflügel). Das 1. Obergeschoss enthält ein Appartement, die Wohnung der Landgräfin, das 2. Obergeschoss die Wohnung der Erbprinzessin. Erdgeschoss und Keller dienten der Hofkellerei. Ferner lag hier die dreigeschossige Kapelle. Im Rotensteinflügel (Südostflügel) befanden sich im 1. Obergeschoss zwei Appartements, die als Landgrafenwohnung dienten. Im 2. Obergeschoss war der Rotenstein der zweite Hauptsaal des Schlosses, ferner gab es hier ein Herkulesgemach. Für das Erdgeschoss ist keine Funktion genannt. Zusammenfassend ergibt sich folgende Bauaufteilung: Erdgeschoss Wirtschaft und Verwaltung. 1. und 2. Obergeschoss Wohn- und Schlafräume, Repräsentationssäle, Dachgeschoss: Pagenkammern und andere Nebenräume.
Baudaten Der Küchenbau (Südwestflügel) wurde 1557 begonnen, der Backhausbau (Nordwestflügel) 1560. 1560-62 entstand der Frauenzimmerbau (Nordostflügel). Die spätgotische Kapelle an der Ecke zwischen Südost- und Nordostflügel blieb bis nach 1600 erhalten; spätmittelalterliche Bausubstanz musste also beim Neubau des Schlosses grundsätzlich berücksichtigt werden. Der Umbau des Südostflügels (Rotenstein-Flügel) erfolgte 1569. Nach einem Brand 1580 wird der Frauenzimmerbau erneuert. 1582-84 entsteht der Güldene Saal im Backhausbau (1. Obergeschoss). Um 1602/03 Umbau der gotischen Kapelle, Giebel. Gleichzeitig Bau einer „Neuen Altane“ an der Ost-Ecke, parallel zu einer alten Altane an der Südecke.
Ein Architekt oder Baumeister ist nicht zweifelsfrei überliefert. 1562 wird ein „architectus“ namens Elias Dupre in einem Schreiben Landgraf Wilhelms an Herzog Wilhelm von Jülich weiterempfohlen, der Umfang seiner Arbeiten in Kassel steht aber nicht fest (Holtmeyer, BKDM Cassel Stadt, 1923, S. 275). Über den Betrieb der Baustelle, einen Streik von 1557 und die ausführenden Handwerker s. Holtmeyer, BKDM, S. 277 f. – Als technischer Oberleiter, vermutlich in der Rolle eines Bauschreibers, wird der Hofkomponist Johann Högel genannt. Als Handwerker wirken u. a. Kaspar Pfeffer und Christoffel Hopf, die Schreinerarbeiten stammen von Christoph Müller, der bei anderen Bauten später als Baumeister erwähnt wird. Bildbauer waren u. a. Elias Godefroy von Cambray (Grabmal Philipp des Großmütigen, Lit.: Kramm, Hofbildhauerwerkstätten) und Adam Liquir Beaumont., ferner als Bildhauer und Baumeister (für den Umbau des Goldenen Saales) Wilhelm Vernukken (Lit.: Klapheck, Meister von Schloss Horst). 1562 müssen die Bauarbeiten lt. Holtmeyer (BKDM) weitgehend abgeschlossen sein, dieses Jahr nennt eine Bauinschrift „über dem Portal des äußeren Schlosshofes“.
Gegenüber dem Schloss (-Bauplatz) ist der Marstall noch erhalten. Es handelt sich um eine vierflügelige schlossähnliche Anlage mit Treppentürmen in den Hofwinkeln. Das Erdgeschoss dient als Stall, das Obergeschoss enthielt Wohnungen in der üblichen Appartementstruktur. Mit den Zwerchgiebeln an den Ecken entspricht der Marstall dem Kastelltyp, der am Kasseler Schloss ein frühes Beispiel hat, ist aber als einheitlicher Neubau im Gegensatz zum Schloss vollkommen regelmäßig angelegt. Der Marstall wurde 1591-93* errichtet.
Würdigung
Schloss Kassel war das bedeutendste Renaissanceschloss in Hessen. Als Residenz des wichtigsten Fürsten zwischen Weser und Neckar erhebt und erfüllt die Anlage einen hohen politischen und künstlerischen Anspruch. Trotz seiner hohen repräsentativen und machtpolitische Bedeutung ist es kein Neubau „aus einem Guss“, sondern als Folge von Umbauten der spätmittelalterlichen Anlage entstanden, auf deren Grundriss und Mauerwerk allenthalben Rücksicht genommen wurde. In seinen Einzelformen ist das Kasseler schloss an den wettinischen (sächsischen) Bauten, namentlich dem Dresdener Schloss orientiert. Der Typ der regelmäßigen Schlossanlage mit Winkeltreppentürme erscheint hier sehr früh, ebenso die Hofarkaden. Die für hessischen Verhältnisse außerordentlichen Dimensionen überspielten vermutlich die fehlende Perfektion eines regelmäßigen Planes; kein Flügel ist wirklich symmetrisch oder einheitlich gestaltet; mehrfach springen Bauteile vor oder zurück und der Grundriss hat eine leichte Trapezform. Die Gestaltung der Zwerchgiebel sowie der Kastelltyp wurde dennoch schulbildend für den hessischen Schlossbau. Die Ausstattung der bedeutenden Säle gehört zudem zu den herausragenden künstlerischen Leistungen. Die Anlage mehrerer großer Säle mit unterschiedlichen Funktionen und Gestaltungen spricht für ein großes Maß an Raumdifferenzierungen. Herausragende Ausgestaltung erfuhr der Güldene Saal, dessen plastischer Dekor aber nur literarisch sowie in geringen (dem Raum zugeschriebenen) Resten überliefert ist. Für den Bauzustand vor dem Neubau der Hochrenaissance sind besonders frühe Renaissanceformen (Halbkreisgiebel) sowie frühe Rondelle und Bastionen aus dem 1. Viertel des 16. Jh. festzustellen.
Literatur, Quellen
Staatsarchiv Marburg, Karten P II 9580, 9582, 9586-9589, 9591. Schriftliche Quellen s. Holtmeyer, BKDM u. Heppe 1995.
Holtmeyer, BKDM Cassel-Stadt, 1923, S. 274-296
Heppe, Kassel, 1991
Heppe, Kassel, 1995 (mit der gesamten älteren Literatur)