Melsungen, Schloss
Bezeichnung, Eigentümer, Kreis
Finanzamt und Gericht (Land Hessen). Schwalm-Eder-Kreis.
Bauherr, Grunddaten, Zustand
Landgraf Wilhelm IV. von Hessen, z.T. im Auftrag seines Vaters Philipp, 1554-56 Rohbau, bis etwa 1560 Ausbau, Marstall 1577.
Geschichte
Mit der Gründung der Landgrafschaft Hessen gelangte das zuvor thüringische, zwischenzeitlich mainzische Melsungen an Hessen. Eine bereits von den Thüringern errichtete Burg der Zeit um 1200 befand sich an anderer Stelle oder aber an der des Marstalls. Nach L. Armbrust (Melsungen, 1921, S. 151) erwarb Philipp der Großmütige vor 1550 zwei Gärten vor dem Kasseler Tor für die Errichtung des Neubaues.
Baugeschichtliche Bedeutung
Gebäudegruppe aus einem Hauptgebäude im Norden, dem Burggrafen-Wohnhaus im Westen und dem Marstall im Süden, parallel zur Straße. Alle Gebäude sind massiv, Bruchstein. Mauerwerk mit Eckquaderungen. Mauerwerk heute unverputzt.
Schlossanlage im Norden. Das Hauptgebäude ist dreigeschossig. Dem rechteckigen Baukörper ist auf der der Stadt zugewandten Südseite etwa in der Mitte ein rechteckiger Risalit vorgelagert, auf der Ostseite ein schmalerer risalitartiger Vorbau, der bis in das untere Giebelgeschoss reicht. Ein entsprechender Risalit befindet sich am Westgiebel, dort mündet ein Übergang zum Marstallbau (s.u.). Ost- und Südseite des Baues haben ein einfaches Sockelprofil. Auf der Nordseite befinden sich zwei Aborterker, beide springen im 1. Obergeschoss auf vier profilierten Konsolen vor und setzten sich vor dem Dach in einem Fachwerk-Zwerchhaus fort. Die Erker sind ungleich weit von den Giebelseiten entfernt. Der Risalit vor der Hauptfassade hat im Innern einen runden Wendeltreppenaufgang, der den linken Teil des Vorbaues einnimmt, daneben befinden sich Vorräume zu den rückwärtigen Räumen des Schlossbaues. Vor dem Dachgeschoss setzt sich der Risalit in einem Fachwerkgeschoss fort, Fachwerk zwei Gefache hoch, mit einfachen leicht gebogenen Streben bzw. Fußbändern. Die heute nicht durchfensterten Gefache zeigen Vorhangbögen. Im 1. Obergeschoss besitzt der Treppenbau ein Fenster mit gestäbtem Gewände. Daneben in einem vertieften, durch eine Fase gerahmten Feld ein Wappen in Flachrelief, Landgrafen von Hessen, bez. 1556 (so lass auch Armsbrust, Melsungen, 1921, S. 151, Dehio, Hessen, 1982 dagegen: 1550). Auf der östlichen Giebelseite befindet sich an dem Risalitvorbau ein entsprechendes Wappen in rechteckigem Feld, mit vorgezogenen gestäbten Rahmen, bez. „1555”, aus diesem Jahr stammt auch eine Rechnung für den Rohbau (Armbrust, Melsungen, 1921, S. 151); auf dem Westgiebel eine Jahreszahl „1554“. Die Fenster des Baues sind unprofiliert, teilweise mit Falz versehen, zwei Fenster am Treppenturm mit Fase. Im Erdgeschoss des Treppenturms zwei spitzbogige Portale, mit Rundstab profiliert. Die Wendeltreppe ist linksläufig. Die Spindel ist rund mit einer Art seitlich umlaufenden Handlauf (rechteckig, scharriert). Profilierter Sockel.
Das Innere ist durch die Behördennutzung stark verändert, die ursprünglichen Wände und Stützen scheinen jedoch erhalten zu sein.
Der Wohnbau des Burggrafen nordwestlich neben dem Schloss ist zweigeschossig und auf der Außenseite mit der Stadtmauer und einem gedrungenen Rundturm verbunden. Rundbogiges Portal im vorgelagerten rechteckigen Treppenturm. Portal mit Karnies profiliert. Zwei rundbogige unprofilierte Kellerportale. Fenster unprofiliert. Der Treppenturm besitzt einen Fachwerkaufsatz mit Giebel, Fachwerk mit gebogenen Andreaskreuzen in der Brüstungszone, an der Seite ist der Sturz eines früheren Vorhangbogenfensters erhalten. Am Treppenturm Sockel mit Kehlenprofil. Über dem 1. Obergeschoss vorkragendes Abschlussgesims mit Kehle.
Der Marstallbau steht rechtwinklig zum Schloss und parallel zur Straße. Er ist zweigeschossig, mit Satteldach. Ein gewinkelter zweigeschossiger Übergang verbindet ihn mit dem Schloss und enthält zugleich zwei rundbogige Tore in den kleinen seitlichen Vorhof des Wohnbaues des Burggrafen. Die Tore sind vom Vorhof des Burggrafen aus zu schließen. Im Obergeschoss hat der Übergang eine Balustrade aus kurzen Pfeilern und Brüstungsplatten. Ein neueres Satteldach ruht auf Holzstützen ohne einen Fensterverschluss. Fenster mit Kehle des Marstallbaues sind profiliert, außer am (innen liegenden) Treppenteil (links) gekuppelte Zwillingsfenster. Etwa in der Mitte Wappenstein, bez. ”WILHELMVS DEI GRATIA LANDGRAVIVS HASSIAE COMES - IN CATZELNBOGEN DIETZ ZIGENHAIN ET NIDDA HOC AEDIFICIVM INCHOAVIT F(O?)ELICITER ABSOLVIT ANNO DOMINI 1577”, die Inschrift mit einer einfachen Beschlagwerkrahmung.
Würdigung
Die schlichte bauliche Anlage des Schlosses hat die Aufgabe einer Nebenresidenz zu erfüllen, die weniger Wohnsitz des Landgrafen als vielmehr als Verwaltungsmittelpunkt zu dienen hatte. Innerhalb Melsungens hob sich das Schloss nur durch sein Baumaterial ab, da der gesamte Baubestand außer Kirche und Stadtmauer aus Fachwerk bestand, auf repräsentative Gestaltungselemente wurde jedoch verzichtet. Die beiden Risalite am Hauptflügel sind für den Schlossbau des 16. Jh. typisch, vor allem der Treppenrisalit vor der Hauptfront.
Literatur, Quellen
Armbrust, Melsungen, 1921, S. 151
Sante, Handbuch, 1976, S. 327
Schmidt, Melsungen, 1978, S. 49 f. u. 56 f.
Dehio, Hessen, 1982, S. 617